Wir leben im Zeitalter der Fake News. Ob US-Präsidentschaftswahl, Brexit oder die Flüchtlingsdebatte: Alle wesentlichen Ereignisse wurden von gefälschten Nachrichten begleitet und wahrscheinlich auch beeinflusst. Warum ist das nicht nur für Politik und Medien schlecht, sondern auch für die PR? Und was muss die professionelle Kommunikation jetzt tun?
November 2016: Eine Pistenraupe, die eigentlich an einen österreichischen Wintersportort geliefert werden soll, landet durch einen Irrtum in einem knapp 1.000 Kilometer entfernten Dorf gleichen Namens im norddeutschen Flachland. Zahlreiche Medien in Deutschland und Österreich berichten über das Missgeschick. Der Haken: Die Geschichte ist inszeniert. Der angebliche Navigationsfehler ist in Wirklichkeit eine von einer Agentur durchgeführte PR-Kampagne für den Tourismusverband des Skigebiets.
Obwohl mehrere Journalisten kritisch nachfragen, erhalten die Verantwortlichen ihre Geschichte nicht nur aufrecht sondern schmücken sie sogar aus – und verwandeln sie damit in ein PR-Desaster. Als der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Tage später kleinlaut die Wahrheit eingesteht, fühlen sich viele Medien in die Irre geleitet und berichten entsprechend. Und auch aus der PR-Branche kommt Schelte: Ende Januar 2017 spricht der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) eine Rüge gegen mehrere beteiligten Personen aus, Mitte Februar zieht der österreichische PR-Ethik-Rat mit einer Rüge gegen den Tourismusverband nach.
Die zeitliche Überschneidung zwischen der spätestens im Zuge der US-Präsidentenwahl aufgekommenen Debatte um Fake News und der Posse um die Pistenraupe ist zwar Zufall. Doch die Geschichte zeigt, dass das Thema nicht nur die Nachrichtenmedien betrifft, sondern auch die Kommunikationsbranche und ihre Kunden. Im konkreten Fall fingierten eine PR-Agentur und ihr Auftraggeber Fakten und provozierten damit bewusst eine unwahre Berichterstattung. Doch auch wenn Kommunikationsprofis alle relevanten ethischen Grundsätze befolgen: Fake News werden für die Branche zunehmend zum Problem.
Im Kern steht dabei nichts weniger als die Glaubwürdigkeit aller Medien: Je mehr gefälschte Nachrichten sich im Umlauf befinden, desto weniger Vertrauen bringen die Menschen den Medien entgegen – und damit auch der Unternehmenskommunikation. „Die Public-Relations-Branche hängt schon immer von glaubwürdigen und unabhängigen Dritten ab, die ihre Botschaften verstärken und sie mit zusätzlicher Glaubwürdigkeit ausstatten“, so der Publizist Paul Holmes, Gründer und CEO des PR-Branchendienstes The Holmes Report. Schwindet die wahrgenommene Integrität dieser Multiplikatoren, dann leidet darunter zwangsläufig auch der Wert von Kommunikationsarbeit.
Tatsächlich trauen schon jetzt verhältnismäßig viele Menschen in Deutschland den klassischen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen zu, dass sie gezielt falsche Nachrichten veröffentlichen. Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov Anfang März 2017 stimmten 13 Prozent dieser Aussage "voll und ganz" und 26 Prozent "eher" zu. Die 36 Prozent der Befragten, die mit "eher nicht" und die 16 Prozent, die mit "ganz und gar nicht" antworteten, waren zusammen zwar klar aber nicht überwältigend in der Mehrheit. Deutlich schlechter steht es um das Vertrauen in soziale Netzwerke: Der Aussage, dort würden Fake News verbreitet, stimmten 50 Prozent der Befragten «voll und ganz» und 37 Prozent «eher» zu.
Neben diesem eher schleichenden Effekt, der vor allem Bereiche wie Corporate Publishing und Content Marketing betrifft, können Fake News aber auch ganz konkrete PR-Krisen auslösen. Wenn Unternehmen selbst zum Gegenstand falscher Berichterstattung werden – beispielsweise als Teil eines gezielten Angriffs auf ihre Reputation – können massive Imageschäden die Folge sein.
Gefälschte Nachrichten, in Umlauf gebracht aus politischen oder kommerziellen Gründen, sind kein neues Phänomen. Neu sind jedoch die Distributionsmethoden und die Geschwindigkeit, mit der sie sich durch diese verbreiten. Online erreichen Inhalte blitzschnell und ohne journalistische Standards oder redaktioneller Sorgfalt ein breites Publikum. In sozialen Netzen veredeln Likes und Shares sie zu unkontrollierbaren Selbstläufern. Zur massenhaften Desinformation tragen auch nicht-menschliche Nutzer eifrig bei: Sogenannte Social Bots – genau zu diesem Zweck programmierte Algorithmen – geben sich bei Facebook oder Twitter als echte User aus, teilen Falschmeldungen und statten sie so mit Gewicht und Reichweite aus.
Auch die stetige Verlagerung des Nachrichtenkonsums in Richtung Online begünstigt die Dynamik. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des deutschen IT-Branchenverbandes Bitkom zeigt, dass 63 Prozent der Bundesbürger auch das Internet als Nachrichtenquelle nutzen. In der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren ist das Netz mit 79 Prozent sogar die zweitwichtigste Informationsquelle nach dem TV. Aus sozialen Medien holen sich mit einem Fünftel aller beziehungsweise einem Viertel der jüngeren Deutschen zwar noch vergleichsweise wenige ihre Nachrichten. Trotzdem haben zwei von drei Nutzern schon gefälschte News in ihren Timelines bemerkt – 68 Prozent bejahten die Frage danach.
Nicht nur für die klassischen Medien und die PR ist das ein Problem. Auch den Social-Media-Unternehmen selbst könnten die gefälschten Inhalte auf den eigenen Servern schaden, glaubt Axel Wallrabenstein: „Wir befinden uns an einem Punkt, an dem sich jeder Gedanken darüber machen sollte, wie er als seriöser Informationskanal auch weiterhin am Markt bestehen kann.“ Würden sie nichts unternehmen, so der Chairman der MSLGROUP Germany GmbH, dann könnten Facebook und Co. in eine Art „Schmuddelecke“ abgleiten und Kunden verlieren. Kein Wunder also, dass auch mehrere Social-Media-Unternehmen Schritte gegen Fake News angekündigt haben.
Als Dienstleister für den Schutz von Reputation und Image können Kommunikationsprofis es sich ebenfalls nicht leisten, das Thema Fake News zu ignorieren. Und auch Unternehmen selbst benötigen ein umfassendes Bewusstsein für die neue Situation. So ist es besonders wichtig, drohende Krisen durch Falschdarstellungen frühzeitig zu erkennen und möglichst zeitnah darauf zu reagieren. Sowohl interne als auch externe Kommunikation müsse proaktiv und schnell reagieren, sagt Christiane Schulz, Chief Executive Officer Germany bei Weber Shandwick: „Vor allem die oberste Führungsebene muss darauf vorbereitet sein.“ So kann sich beispielsweise eine durchgehende Echtzeitanalyse aller relevanten Social-Media-Kanäle bezahlt machen, deren Ergebnisse Unternehmensleitung und Kommunikationsabteilung dabei hilft, Art, Inhalt und Timing möglicher Reaktionen genau abzuwägen.
Für ein souveränes Krisenmanagement in Bezug auf Fake News braucht es zudem effektive interne Meldeketten und klare Richtlinien für erste Reaktionen. Schon vor dem Auftreten eventueller Krisensituationen sollten zuständige Mitarbeiter benannt und relevante Budgetfragen geklärt sein. Etablierte und glaubwürdige Social-Media-Auftritte helfen dabei, Richtigstellungen dort zu platzieren, wo Fake News am häufigsten im Umlauf sind. Die eigenen Strategien sollten außerdem regelmäßig erprobt und gegebenenfalls nachjustiert werden.
Wichtiger denn je werden außerdem altbewährte Tugenden: Wo Glaubwürdigkeit Mangelware ist, werden langfristig etablierte Konzepte wie Ehrlichkeit, Wahrheit und Vertrauen zum strategischen Vorteil. Wer stets transparente Beziehungen zu seinen wichtigsten Anspruchsgruppen pflegt, der kultiviert damit präventiv die eigene Glaubwürdigkeit. Tritt dann der Ernstfall ein, verfügt man über etablierte Kanäle zu allen relevanten Stakeholdern, über die man glaubhaft Falschmeldungen dementieren und Richtigstellungen verbreiten kann. „Wenn neben dem ehrbaren Kaufmann der ehrbare Kommunikator steht“, so fasst es Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur dpa zusammen, „dann wird er sein Ziel erreichen, nämlich dass über und mit ihm gesprochen wird.“
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in unserem Whitepaper "Die große Falle: Was das Phänomen Fake News für Kommunikation und PR bedeutet“.
Inhalte des Whitepapers: