Professionelle Kommunikation hat seit der Corona-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen, wie die Berufsfeldstudie 2021 des BdKom in konkreten Zahlen belegt. Was heißt das für 2022? Vor welchen Herausforderungen steht die Kommunikationsbranche in diesem Jahr? Mit Regine Kreitz, Präsidentin BdKom und Leiterin Kommunikation Stiftung Warentest, sprachen wir über drei große Challenges für die Kommunikationsbranche: interne Kommunikation im New Normal, Gender Pay Gap und gendergerechte Sprache.
news aktuell: Die interne Kommunikation hat laut Ihrer Studie den größten Bedeutungszuwachs innerhalb des Tätigkeitsspektrums von Kommunikationsprofis. Können Sie uns diesen Zuwachs ein bisschen beziffern?
Kreitz: Die Ergebnisse unserer aktuellen Berufsfeldstudie sind hier in der Tat eindeutig: 77 Prozent der befragten Kommunikationsverantwortlichen schätzen den Beitrag ihres Teams zum Corona-Krisenmanagement der eigenen Organisation als hoch oder sehr hoch ein. 87 Prozent sehen insbesondere die interne Kommunikation im Aufwind.
news aktuell: Vor welchen Herausforderungen steht diese sich immer mehr professionalisierende Disziplin in diesem Jahr, in dem dezentrale und virtuelle Arbeitsformen zum New Normal geworden sind?
Kreitz: Unserer Studie zufolge erwarten 55 Prozent, dass der Bedeutungszuwachs, den die Kommunikation durch die Krise erfahren hat, nachhaltig sein wird. Ich denke, dass dieser Optimismus gerade mit Bezug auf die interne Kommunikation berechtigt ist, denn das „New Normal“ ist eine immense Herausforderung für Unternehmen und Organisationen. Im Sommer dachten vielleicht noch einige, dass es jetzt vor allem um eine gute Kampagne ginge, damit die Beschäftigten zurück ins Büro kommen. Aber die Lage ist weitaus komplexer und sie kann auch nicht einfach der internen Kommunikation allein vor die Füße gekippt werden, denn es geht ja in vielen Unternehmen um echte Kulturveränderung. Durch die USA rollt gerade eine große Kündigungswelle unter dem Schlagwort „Great Resignation“, befeuert durch die Erfahrungen der Beschäftigten während der Pandemie. Das Phänomen haben wir in Europa und Deutschland zwar nicht in dieser Dimension, aber auch hier gibt es ein großes Umdenken in Sachen Arbeit.
news aktuell: Mit welchen konkreten Instrumenten oder Maßnahmen kann es der internen Kommunikation in diesem New Normal gelingen, die Unternehmenskultur zu vermitteln, Mitarbeitende zu motivieren und ein Wir-Gefühl zu stärken?
Kreitz: Viele von uns haben die Chance in der Krise ergriffen und manches, z.B. die Einführung eines zeitgemäßen Intranets oder einer App für Mitarbeitende, ging plötzlich ganz schnell. Ohne Pandemie hätte da die eine oder andere Unternehmensleitung noch den Daumen gesenkt. Und die, die schon zuvor die Zeichen der Zeit erkannt hatten, waren jetzt in der deutlich besseren Startposition.
Ich denke, dass Unternehmensleitungen, die ihre externe wie interne Kommunikation frühzeitig einbinden und auf echte Dialogorientierung setzen, noch stärker im Vorteil sein werden als bisher. Außerdem wird sich der Trend fortsetzen, externe und interne Kommunikation noch mehr zu integrieren. Der Digitalisierungsschub, den die Pandemie uns gebracht hat, wird genutzt werden, um noch inklusiver zu kommunizieren – mit Sicherheit weiterhin eine große Herausforderung.
news aktuell: Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass der Anteil der Frauen in Führungspositionen inzwischen zum ersten Mal höher ist als der von Männern. Aber bei der Bezahlung gibt es weiterhin eine Lücke. Können Sie uns dazu ein paar Zahlen nennen und sie einordnen?
Kreitz: In der Tat haben Frauen und Männer im Kommunikationsberuf jetzt die gleichen Karrierechancen: 58 Prozent der Gesamtleitungspositionen und 60 Prozent der Bereichsleitungen sind mit Frauen besetzt, und das Geschlecht spielt für die Besetzung der Führungspositionen statistisch keine Rolle mehr. Über sämtliche Funktionen stellen Frauen schon seit längerem die Mehrheit, aktuell sind 62 Prozent weiblich, Tendenz steigend: In der Gruppe der bis 30-Jährigen sind 83 Prozent Frauen. Die Bezahlung hat sich allerdings nicht angeglichen: Bezogen auf den Brutto-Durchschnittsverdienst von 72.000 Euro (Median) bei Vollzeitbeschäftigung beträgt der Gender Pay Gap 13.000 Euro oder 18 Prozent. Das entspricht in etwa dem Bundesdurchschnitt über alle Berufe.
news aktuell: Welche Maßnahmen würden Sie empfehlen, dass wir diesen Gender Pay Gap in unserer Branche kleiner bekommen bzw. endgültig schließen?
Kreitz: Die Studienergebnisse versetzen uns erstmals in die Lage, das Problem überhaupt zu adressieren. BdKom und Quadriga haben die Fragestellung erst 2018 in die Studie integriert, wir sind also auch nicht gerade früher aufgewacht als andere Branchen. Aber jetzt können wir als Verband den Scheinwerfer auf die Fakten richten und Kommunikations-Führungskräfte, aber auch Bewerberinnen informieren und sensibilisieren. Wir bleiben auf jeden Fall an der Problematik dran.
news aktuell: Ein großes, oft mit emotionalen bis polarisierenden Debatten begleitetes Thema ist "Gendergerechte oder Gendersensible Sprache". In vielen Unternehmen ist es Aufgabe der professionellen Kommunikation, den Umgang mit gendergerechter Sprache zu definieren und sodann umzusetzen - nach innen wie nach außen. Können Sie uns hier einen Überblick über den aktuellen Status Quo geben?
Kreitz: 85 Prozent der von uns befragten Kommunikatorinnen und Kommunikatoren gaben an, dass ihre Unternehmen und Organisationen sich mit dem Thema befassen. 20 Prozent haben verbindliche Regelungen, 38 Prozent arbeiten mit Empfehlungen, die übrigen befinden sich noch im Prozess. Der öffentliche und der zivilgesellschaftliche Sektor sind hier etwas weiter als die Privatwirtschaft. Das riesengroße Interesse am „Kompendium Gendersensible Sprache“ des BdKom und den dazugehörigen Webinaren macht deutlich, dass es ein großes Bedürfnis gibt, sich fair auszudrücken und eine Sprache zu finden, die niemanden ausschließt. Organisationen, die das Thema als einen wichtigen Baustein einer fairen und inklusiven Unternehmenskultur angehen, können aus meiner Sicht nur profitieren, wobei der Prozess – wie so oft – genauso wichtig ist wie das Ergebnis.
news aktuell: Wo stehen wir mit gendergerechter Sprache in Deutschland in 2 Jahren?
Kreitz: Ich denke, dass wir auch in zwei Jahren noch mittendrin sein werden im Sprachwandel, aber dass die große Aufregung darüber abgeebbt sein wird. Für Kommunikator*innen bleibt es auf jeden Fall ein Thema und entsprechend auch für uns als Berufsverband.
Interview: Beatrix Ta